Ab 1. Januar 2022 tritt ein Teil der EU-Taxonomieverordnung in Kraft. Die Taxonomie definiert für die meisten Branchen, was als „ökologisch nachhaltiges Wirtschaften“ gilt. Sie ist ein wichtiger Baustein des European Green Deal, mit dem die Europäische Union bis 2050 klimaneutral werden will. Sie richtet sich sowohl an Unternehmen, als auch an Finanzmarktakteure wie Banken und Versicherungen und legt sehr genaue Kriterien fest. Im Zusammenhang mit der EU-Taxonomie kommen auch umfassende Berichtspflichten auf Unternehmen und den Finanzsektor zu.
Mit dem sog. Green Deal will die Europäische Union den europäischen Kontinent bis zum Jahr 2050 klimaneutral machen. Der Green Deal beinhaltet verschiedene Maßnahmen aus den Bereichen Umwelt, Industrie, Energie, Klima, Transport und Landwirtschaft, und vor allem auch aus dem Bereich Finanzierung. So sollen die Finanz- und Kapitalmärkte durch eine Umleitung der Finanzströme in Richtung Nachhaltigkeit (Sustainable Finance), sowie die nicht-finanzielle Unternehmensberichterstattung helfen, die Ziele des Green Deals zu erreichen. Das Gesamtpaket Sustainable Finance der EU sieht wiederum verschiedene Bausteine vor.
Die Bundesregierung flankiert diese Entwicklung der EU durch eine im Mai 2021 verabschiedete Sustainable-Finance-Strategie. Darin hat sich Deutschland unter anderem das Ziel gesetzt, zu einem führenden Sustainable Finance-Standort zu werden.
Grundlage für die Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregierung und der Europäischen Union ist die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mit ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, SGDs).
Folgende Aspekte bilden die großen Themen innerhalb der Nachhaltigkeitsregulierung ab (siehe fortfolgend), wobei additiv zahlreiche Unterthemen hinzukommen, auf deren Auflistung verzichtet wird:
Im Folgenden soll insbesondere auf das Kernstück der EU-Taxonomie sowie auf die Corporate Sustainable Reporting Directive (CSRD) eingegangen werden. Auch liegt der Fokus auf der Betroffenheit der Realwirtschaft, der Finanzsektor wird nur indirekt betrachtet.
Kernelement der EU-Sustainable-Finance-Strategie ist ein im März 2020 durch die Europäische Kommission veröffentlichter Taxonomiebericht, der definiert, welche Handlungen als „grün“ (im Sinne von nachhaltig) gelten. Es handelt sich um ein Klassifizierungssystem sowie ein Prüfinstrument, um nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu identifizieren. Die EU-Taxonomie richtet sich sowohl an die Finanzwirtschaft als auch an Unternehmen der Realwirtschaft. Sie beabsichtigt, private Finanzströme in nachhaltigere Aktivitäten umlenken und so den Kapitalbedarf der Wirtschaft für die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit zu decken (Investitionen für positive Wirkung auf Klima und Umwelt). Weiter soll sie Klarheit bei den Standards für nachhaltige Finanzprodukte herstellen. Die Taxonomie bietet letztlich ein einheitliches Klassifikationssystem, das definiert, wie welche Wirtschaftsaktivität welcher Branche in Bezug auf ausgewählte Umweltziele zu bewerten ist.
Insgesamt sechs Umweltziele wurden bzw. werden etabliert:
Im ersten Schritt konzentriert sich die Taxonomie vor allem auf diese Umweltziele. Zukünftig soll die Taxonomie über diese Umweltziele hinaus auch soziale Aspekte und gute Unternehmensführung abdecken.
Eine Wirtschaftstätigkeit gilt dann als taxonomiekonform, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der genannten sechs Umweltziele leistet und gleichzeitig keines der anderen Ziele wesentlich beeinträchtigt (Do No Significant Harm – DNSH). Zugleich müssen die Wirtschaftsaktivitäten gewisse Mindestanforderungen in Bezug auf Soziales und Menschenrechte erfüllen. Sind diese drei Kriterien erfüllt, dann besteht Nachhaltigkeit im Sinne der EU-Taxonomie.
Die EU-Taxonomie-Verordnung wird bis 2023 sukzessive umgesetzt. Bereits am 12.07.2020 trat die endgültige Fassung der im März 2020 veröffentlichten Taxonomie Verordnung in Kraft. Am 21.04.2021 erfolgte die Umsetzung der EU-Verordnung durch die Festlegung der technischen Prüfkriterien für die ersten beiden Umweltziele (CO2-Minderung, Anpassung an den Klimawandel). Zwei der genannten sechs Umweltziele sind konkretisiert, die weiteren befinden sich in der Erarbeitung. Zum 31.12.2021 soll die Umsetzung der EU-Verordnung durch die Festlegung der technischen Prüfkriterien für die verbleibenden vier Umweltziele erfolgen. Zurzeit wird an den Details gearbeitet.
Der Umsetzungszeitraum für die ersten beiden Umweltziele beträgt ein Jahr, bereits zum 01.01.2022 greift die Pflicht zur nichtfinanziellen Berichterstattung für die beiden ersten Umweltziele für diejenigen Unternehmen, die bereits eine nichtfinanzielle Erklärung abgeben müssen (Geschäftsjahre 2021 ff.). Der Umsetzungszeitraum für die weiteren vier Umweltziele beträgt dito ein Jahr. Zum 01.01.2023 besteht hierzu die Pflicht (Geschäftsjahre 2022 ff.)
Bereits heute sind erstens diejenigen Unternehmen von der EU-Taxonomie-Verordnung betroffen, die eine nichtfinanzielle Erklärung abgeben müssen. Das sind insbesondere Kapitalgesellschaften, haftungsbeschränkte Personengesellschaften und Genossenschaften mit folgenden Eigenschaften: Die Gesellschaft ist kapitalmarktorientiert, also an einem staatlich regulierten Markt notiert und sie hat an zwei aufeinander folgenden Stichtagen im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt und die Gesellschaft überschreitet zwei der drei Merkmale an zwei aufeinander folgenden Stichtagen: 20 Mio. Euro Umsatzerlöse, 40 Mio. Euro Umsatzerlöse, > 250 Beschäftigte. Betroffen sind zudem Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte bereitstellen und unter die Offenlegungs-VO fallen, z.B. Lebensversicherer.
Die Pflichten zur Veröffentlichung einer nichtfinanziellen Erklärung werden durch die sog. Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) weiter verschärft. Die NFRS werden sukzessive in die CSRD überführt, bzw. durch diese ersetzt. Alle kapitalmarktorientierten Unternehmen in einem von der EU-regulierten Markt – unabhängig ihrer Größe – oder große Gesellschaften (Überschreitung von zwei der Merkmale an zwei aufeinanderfolgenden Stichtagen: 20 Mio. Euro Bilanzsumme, 40 Mio. Euro Umsatzerlöse, > 250 Beschäftigte) sind davon betroffen. Die CSRD erweitert den Anwendungsbereich der CSR-Richtline (Anwendung seit 2017) deutlich: Anstelle von rund 500 Unternehmen sind zukünftig rund 15.000 Unternehmen in Deutschland betroffen (Anstieg in Europa von rund 11.500 auf rund 50.000 Unternehmen).
Durch die Überführung / Substituierung der NFRS durch die CSRD kommt es zudem zu einer Verschärfung der Anforderungen an eine nichtfinanzielle Berichterstattung:
1. Wahlrecht zur Offenlegung: Nachhaltigkeitsberichtserstattung muss nicht im Lagebereich enthalten sein (NFRS) à Kein Wahlrecht zur Offenlegung: Nachhaltigkeitsberichterstattung als verbindlicher Teil im Lagebericht (CSRD).
2. Wesentlichkeitsprinzipien: Sachverhalte sind zu berücksichtigen, wenn sie für den Geschäftserfolg und aus ökologischen bzw. sozialen Gesichtspunkten wesentlich sind (NFRS) à Doppelte Materialität: Sachverhalte sind zu berücksichtigen, wenn sie entweder für den Geschäftserfolg oder aus ökologischen bzw. sozialen Gesichtspunkten wesentlich sind (CSRD).
3. Keine eigenen dezidierten Prüfungspflichten definiert (NFRS) à Prüfungspflicht für Nachhaltigkeitsberichte durch externe Prüfer geplant (CSRD).
4. Keine verbindlichen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (NFRS) à Informationen zu den „grünen Finanzkennzahlen“ gemäß der EU-Taxonomie-Verordnung (CSRD).
Die CSRD befindet sich noch in einer frühen Phase, die Umsetzung in nationales Recht soll ab Ende des Jahres 2022 erfolgen. Am 21.04.2021 hat die EU-Kommission den Vorschlag für die CSRD-Richtlinie veröffentlicht, zum 31.10.2022 sollten neue Standards für CSRD veröffentlicht werden mit einer Frist zur Umsetzung in nationales Recht bis zum 01.12.2022. Bis 31.12.2023 sollen zudem weitere sektorspezifische Standards und KMU-Standards folgen. Die Veröffentlichung der ersten Berichte nach CSRD-Standard ist zum 01.01.2024 (Berichtsperiode 2023) geplant, ab dem 01.01.2026 müssen berichtspflichtige KMU mit der Berichterstattung beginnen.
Nebst Banken und dem Finanzsektor sind alle Unternehmen von den regulatorischen Maßnahmen direkt betroffen, insofern sie bspw. den oben genannten Berichtspflichten unterliegen. Wichtig ist der Hinweis, dass Unternehmen aber oftmals indirekt betroffen sind. Es gibt zwei maßgebliche Transmissionskanäle:
1) So sind Kreditinstitute durch die EU-Taxonomie dazu angehalten, den sechs Umweltzielen zu entsprechen und das eigene Kreditgeschäft auf Nachhaltigkeitsaspekte zu kontrollieren. Banken sind angehalten Nachhaltigkeitsrisiken in die Kreditentscheidung mit einzubeziehen.
2) KMU können nicht nur als Kreditnehmer, sondern auch als Zulieferer von offenlegungspflichtigen Unternehmen von den Reporting-Anforderungen betroffen sein (Kaskadeneffekt).
Die IHK Würzburg-Schweinfurt schätzt, dass in Mainfranken 60 Unternehmen durch die EU-Taxonomie unmittelbaren Handlungsbedarf haben, jedoch rund 13.500 mittelbar eine Überprüfung ihrer Kernprozesse durchführen sollten. Letztere könnten zum Beispiel im Zuge einer Kreditanfrage oder des Kaskadeneffektes „gefragt“ werden, da deren Tätigkeit per se von der Taxonomie betroffen ist. Die Taxonomie ist anders als viele ESG (Environmental, Social, Governance) -Kriterien und Ökosiegel verbindlich (Compliance) und sie wird voraussichtlich Auswirkungen auf den Zugang der Unternehmen zu Finanzierung haben, da die Finanzinstitute früher als die meisten Unternehmen der Realwirtschaft mit den Anforderungen der Taxonomie konfrontiert sein werden. Dazu ist von einem Reputationsproblem auszugehen, wenn Unternehmen bzw. Wirtschaftsaktivitäten als nicht nachhaltig im Sinne der Taxonomie klassifiziert sind. Andererseits bietet die Taxonomie Orientierung bei der Beurteilung von grünen Investments und kann zu einem Reputationsgewinn für Unternehmen führen, die einen positiven Impact im Sinne der Taxonomie haben.
Unternehmen sollten prüfen, ob sie von der Taxonomie direkt betroffen sind und entsprechend Kennzahlen vorbereiten. Darüber hinaus empfiehlt sich der Taxonomie-Check. Unternehmen können im EU-Taxonomie-Kompass einsehen, wie ihre jeweilige Tätigkeit klassifiziert ist. Ferner – auch mit Blick auf indirekte Betroffenheit – ist es ratsam, sich mit der Nachhaltigkeit im eigenen Unternehmen zu befassen, Kennzahlen zu erheben und Management-Systeme zu implementieren.
M.A. Politikwissenschaften
Referentin Standortpolitik
Würzburg
Diplom-Geograph
Bereichsleiter Standortpolitik und Unternehmensförderung
Würzburg