Berufsausbildung

Regelung der Berufsausbildung zum/zur „Blinden/Sehbehinderten Telefonisten/Blinden/Sehbehinderten Telefonistin“

gemäß §§ 48, 49 Berufsbildungsgesetz (BBiG alt) (neu: §§ 64, 66 i. V. m. 71 Abs. 2 BBiG) vom 29. Januar 1998 („Wirtschaft in Mainfranken“ 1998, Heft 3, S. 111)
 

§ 1 Bezeichnung, Geltungsbereich und Zielsetzung des Ausbildungsberufes

(1) Die Berufsausbildung zur „Blinden/Sehbehinderten Telefonistin“/zum „Blinden/Sehbehinderten Telefonisten" erfolgt nach dieser besonderen Ausbildungsregelung.

(2) Die in dieser Regelung genannten Fertigkeiten, Kenntnisse und Verhaltensweisen sollen so vermittelt werden, dass der Auszubildende zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit befähigt wird. Dabei sollen soweit wie möglich selbständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren gefördert werden.
 

§ 2 Ausbildungsdauer

Die Ausbildung dauert 12 Monate.
 

§ 3 Personenkreis

(1) Diese Ausbildungsregelung gilt für blinde und hochgradig sehbehinderte Auszubildende. Sie haben kein auf Dauer wirtschaftlich nutzbares Sehvermögen und arbeiten grundsätzlich mit Punktschrift.

(2) Sie gilt auch für wesentlich sehbehinderte Rehabilitanden. Diese haben ein noch wirtschaftlich verwertbares Sehvermögen, benötigen aber grundsätzlich individuelle Seh- oder Lesehilfen. Dazu gehören z. B. Großbildschirme mit stufenlos vergrößerbarem Bildschirminhalt, spezielle Brillen oder Lupen.
 

§ 4 Zulassungsvoraussetzungen

Voraussetzungen zur Zulassung zur Prüfung sind:

  1. eine mit mindestens durchschnittlichem Erfolg abgeschlossene berufsorientierte blindentechnische Grundrehabilitation (12 Monate) für blinde und hochgradig sehbehinderte Rehabilitanden und die zwölfmonatige Ausbildung zur „Blinden/Sehbehinderten Telefonistin“/zum „Blinden/Sehbehinderten Telefonisten" oder

  2. ein mit mindestens durchschnittlichem Erfolg abgeschlossener Rehabilitationsvorbereitungs-Lehrgang (6 Monate) für wesentlich sehbehinderte Rehabilitanden und die zwölfmonatige Ausbildung zur „Blinden/Sehbehinderten Telefonistin“/zum „Blinden/Sehbehinderten Telefonisten"

  3. Berufliche Vorkenntnisse und Fertigkeiten, die den Inhalten dieser Ausbildungsregelung gleichwertig sind, können von der zuständigen Stelle auf die Ausbildungsdauer angerechnet werden.
     

§ 5 Registrierung des Ausbildungs-/Umschulungsvertrages

Die zuständige Stelle trägt Ausbildungsverträge/Umschulungsverträge für behinderte Personen gemäß §§ 48, 49 i. V. m. § 44 des BBiG in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse ein, wenn festgestellt worden ist, dass die Ausbildung in einem solchen Ausbildungsgang nach Art und Schwere der Behinderung erforderlich ist.
 

§ 6 Ausbildungsberufsbild

Gegenstand der Berufsausbildung sind mindestens die folgenden Kenntnisse, Fertigkeiten und Verhaltensweisen:

  • Grundlagen der Telekommunikation
  • Grundwissen über Aufbau und Wirkungsweise der Fernmeldenetze und -endgeräte
  • Grundstrukturen der Telekommunikationsdienste
  • Nutzung der Telekommunikationsnetze und Telekommunikationsdienste mit dem Schwerpunkt Sprachkommunikation
  • Bedienen von Telekommunikationsanlagen und Endgeräten (Schwerpunkt Sprachkommunikation)
  • partnerorientierte Kommunikation am Telefon
  • Einsatz konventioneller Techniken der schriftlichen Kommunikation und des behindertengerecht adaptierten PC’s
  • Training der Gedächtnisleistung
  • Grundstrukturen der Organisation öffentlicher Verwaltungen und Unternehmen der Wirtschaft
     

§ 7 Abschlussprüfung

(1) Die Abschlussprüfung besteht aus dem Prüfungsteil „Kenntnisse“ und dem Prüfungsteil „Fertigkeiten“. Die Kenntnisprüfung findet schriftlich und mündlich, die Fertigkeitsprüfung praktisch statt.

(2) Gegenstand der Kenntnisprüfung sind folgende Prüfungsfächer:

  1. Schriftliche Kenntnisprüfung:
    Beantwortung von Fragen aus der Telekommunikation.
    Der Prüfling soll Kenntnisse in den technischen und rechtlichen Grundlagen der Telekommunikation nachweisen.
    Die Vorgabe der Prüfungsaufgaben erfolgt in Braille- oder Normalschrift auf Papier und auf Datenträger.
    Als Hilfsmittel sind insbesondere zugelassen: PC, Braille-Zeile, Großbildschirm, Sprachausgabe über Kopfhörer, Hilfsmittel zum Schreiben der Brailleschrift und Schreibzeug.
    Die Prüfungsarbeit ist am PC zu erstellen und in Normalschrift auszudrucken.
    Die Bearbeitungszeit beträgt für die Benutzer der Brailleschrift 90 Minuten, für die Benutzer des Großbildschirms 60 Minuten.
    Diese Prüfungsleistung wird mit dem Faktor 2 gewichtet.
  2. Prüfung der Gedächtnisleistung - Wiedergabe von Kennzahlen und Rufnummern
    Der Prüfling soll nachweisen, dass er in der Lage ist, Kennzahlen und Rufnummern, die während der Ausbildung erlernt wurden, wiederzugeben. Aus mindestens 200 Kennzahlen und Rufnummern werden 60 Nummern erfragt und sofort am PC niedergeschrieben.
    Die Prüfungsarbeit ist am PC zu erstellen und in Normalschrift auszudrucken. Die Arbeitszeit beträgt für alle Teilnehmer 45 Minuten.
    Diese Prüfungsleistung wird mit dem Faktor 2 gewichtet.
  3. Mündliche Kenntnisprüfung
    Der Prüfling hat nachzuweisen, dass er über Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt, Telekommunikationsanlagen zu bedienen. Nachzuweisen sind insbesondere:
    Kenntnisse der technischen und betrieblichen Zusammenhänge sowie allgemeine technische und rechtliche Grundlagen der Telekommunikation.
    Bei der mündlichen Prüfung ist Wert auf situationsbezogene Aufgaben zu legen.
    Die mündliche Prüfung wird als Einzelprüfung durchgeführt.
    Die Prüfung soll in der Regel 15 Minuten je Prüfling dauern.
    Diese Prüfungsleistung wird mit dem Faktor 3 gewichtet.

(3) Gegenstand der Fertigkeitsprüfung sind folgende Prüfungsfächer:

  1. Arbeitsprobe
    In der Arbeitsprobe hat der Prüfling nachzuweisen, dass er mit der Telekommunikationsanlage arbeiten kann.
    Insbesondere werden Anforderungen gestellt an:
    Sicherheit in der Bedienung der Anlage,
    präzise Ausführung der übernommenen Aufträge,
    Höflichkeit im Umgang mit Gesprächspartnern,
    Sprechdisziplin
    Die Arbeitsprobe findet als Einzelprüfung statt und dauert 20 Minuten.
    Diese Prüfungsleistung wird mit dem Faktor 3 gewichtet.
  2. 5-Minuten-Diktat am PC
    Der Prüfling hat eine Schreibleistung von mindestens 120 Anschlägen je Minute nachzuweisen. Die Prüfungsarbeit ist in Normalschrift ausgedruckt abzugeben. Die Ansage erfolgt als Einzeldiktat.
    Die Korrektur erfolgt nach den Prüfungsrichtlinien zur Prüfungsordnung für die Durchführung von Fortbildungsprüfungen für die Prüfung in „Kurzschrift und maschinelle Texterstellung“ der IHK Würzburg-Schweinfurt vom 9. März 1993 („Mainfränkische Wirtschaft“ 1993, Heft 7/8, S. 56 ff.) in der jeweils geltenden Fassung.
    Diese Prüfungsleistung wird mit dem Faktor 1 gewichtet.
  3. Niederschreiben phonetischer Aufzeichnungen
    Der Prüfling soll den wesentlichen Inhalt phonetisch aufgezeichneter Nachrichten von ca. sechs Minuten Dauer sachlich richtig formulieren und in angemessener Form festhalten.
    Die Bearbeitungszeit beträgt für die Benutzer der Brailleschrift 60 Minuten, für die Benutzer des Großbildschirms 40 Minuten.
    Als Hilfsmittel sind insbesondere zugelassen: PC, Braille-Zeile, Großbildschirm, Sprachausgabe über Kopfhörer, Hilfsmittel zum Schreiben der Brailleschrift und Schreibzeug.
    Die Prüfungsarbeit ist am PC zu erstellen und in Normalschrift auszudrucken.
    Diese Prüfungsleistung wird mit dem Faktor 2 gewichtet.
  4. Arbeit mit der Datenbank
    Der Prüfling soll aus der Datenbank Informationen holen und nutzen.
    Die Vorgabe der Prüfungsaufgaben erfolgt in Braille- oder Normalschrift auf Papier und auf Datenträger.
    Die Bearbeitungszeit beträgt für die Benutzer der Braillezeile 45 Minuten, für die Benutzer des Großbildschirms 30 Minuten.
    Die Prüfungsarbeit ist am PC zu erstellen und in Normalschrift auszudrucken.
    Diese Prüfungsleistung wird mit dem Faktor 1 gewichtet.
     

§ 8 Feststellung und Bewertung des Prüfungsergebnisses

(1) Die Abschlussprüfung ist bestanden, wenn ein Prüfling in jedem der beiden Prüfungsteile (Kenntnisprüfung und Fertigkeitsprüfung) und im Prüfungsfach „Arbeitsprobe“ mindestens „ausreichende“ Leistungen erbracht hat.

(2) Die Prüfungsteile „Kenntnisprüfung“ und „Fertigkeitsprüfung“ werden im Verhältnis 1 : 1 gewichtet. Der Durchschnitt ergibt die Gesamtnote.
 

§ 9 Zeugnis

(1) Über die bestandene Prüfung erhält der Prüfling ein Zeugnis mit der Bezeichnung „Prüfungszeugnis nach §§ 48, 49 (BBiG)“.

(2) Im Prüfungszeugnis sind die Prüfungsergebnisse in der Fertigkeits- und Kenntnisprüfung sowie das Gesamtergebnis nach Noten und Punkten aufzuführen.
 

§ 10 Inkrafttreten

Diese Regelung tritt nach ihrer Genehmigung durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie als der obersten Landesbehörde gemäß § 41 Satz 4 BBiG 14 Tage nach ihrer Veröffentlichung in der „Wirtschaft in Mainfranken“ in Kraft.

Gleichzeitig treten die Richtlinien für die Durchführung von Abschlussprüfungen zur „Blinden/Sehbehinderten Telefonistin/zum „Blinden/Sehbehinderten Telefonisten“ vom 7. Mai 1997, veröffentlicht in der „Wirtschaft in Mainfranken“ 1997, Heft 7, S. 44, außer Kraft.

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