Wolfgang Renninger tritt kräftig in die Pedale eines Lastenrads, um schwere und/oder voluminöse Fracht umweltfreundlich an den Mann zu bringen.
Wer sich bei seinem Buchhändler um die Ecke ein Buch bestellt, kann es in aller Regel am nächsten Morgen abholen. Hinter diesem Service steckt ein großer Aufwand: im sogenannten Nachtsprung bringt ein Grossist mit Lastwägen die Bücher sechs Mal pro Woche zu jedem Buchladen in Deutschland. In Würzburg allerdings, wo die Buchhändlerdichte deutschlandweit mit am höchsten ist, erfolgt die Zustellung seit Herbst 2018 auf emissionsfreiem Weg.
Dieser grüne Büchertransport ist im ganzen Bundesgebiet einmalig. „Die Lärm- und Abgasbelastung durch Lieferverkehre ist hier wie in allen anderen Innenstädten sehr hoch. Das war mein Ansatzpunkt“, sagt Wolfgang Renninger, der deswegen das Kurierunternehmen Vamos Velos ins Leben gerufen hat. Die Branche liegt ihm nahe: Renninger ist gelernter Buchhändler, hat auch viele Jahre in der Logistik gearbeitet und fährt zudem leidenschaftlich gerne Fahrrad. Warum also das alles nicht miteinander verknüpfen? „Ich habe ein Konzept erstellt und es einem der Buchgroßhändler geschickt. Zu meiner Überraschung hat er sich schnell gemeldet – und wir waren uns direkt einig“, berichtet der 52-Jährige. Seither kommen die Bücher jede Nacht aus dem großen Zentrallager des Buchgrossisten Libri in Hessen, das einem Schlaraffenland für Leseratten gleichen muss, zum Würzburger Hauptbahnhof.
Dort lädt Renninger die grauen Kisten in den frühen Morgenstunden in sein Cargobike. Bis zu 250 Kilogramm kann das Lastenrad stemmen. „Wenn fleißig gelesen wird, fahre ich zweimal“, sagt er. Die nächtliche Tour bringt Renninger bei Wind und Wetter quer durch die Stadt. Der Frühaufsteher genießt es, wenn morgens die Fußgängerzone langsam erwacht. Er schließt jeden Buchladen akkurat auf und wieder zu, tauscht die vollen Bücherkisten gegen die leeren aus und radelt leise weiter durch die Straßen. Am Ende wird er zwischen 30 und 40 Kilometer zurückgelegt haben. In puncto Zustellgeschwindigkeit kann Vamos Velos mit den Lastwägen locker mithalten. Die Würzburger Buchhändler kennt Renninger so gut wie alle persönlich. Das Feedback sei ausnahmslos sehr positiv.
„Natürlich befördere ich nicht nur Bücher“, unterstreicht der sportliche Geschäftsführer. Auch die regelmäßige Zustellung von Drucksachen innerhalb der sogenannten letzten Meile erledigt er mittlerweile im Kundenauftrag. Generell hat es Renninger auf solche Güter abgesehen, bei deren Zustellung er Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ersetzen kann. Damit die Stadt und ihre Bewohner, zu denen er selbst auch gehört, wieder etwas aufatmen können. Vorstellen kann sich der Radunternehmer auch den Transport von Medikamenten und (frischen) Lebensmitteln. „Grundsätzlich gibt es in dem Bereich noch viele Möglichkeiten, sauber zu transportieren.“ Bei der Umsetzung hilft ihm ein weiteres großes Plus von Vamos Velos: Lastenräder dürfen auch tagsüber unbeschränkt in die Fußgängerzone einfahren, Autos und Lastwagen dagegen nur am Vormittag.
Das positive Image von Lastenrädern nutzt Renninger auch in einem anderen Bereich gewinnbringend. Auf den Außenwänden des Lastendrad-Aufbaus können Werbefolien angebracht werden. „Die Flächen sind für Unternehmen interessant, die Wert auf ein umweltbewusstes und nachhaltiges Image legen und das auch authentisch präsentieren möchten“, sagt Renninger. Dabei achtet er darauf, dass es nicht nur darum geht. „Ich habe schon manchmal den Eindruck, dass Umweltbewusstsein gerade schick ist und manche da nur aufspringen wollen, um gut auszusehen.“ Wenn das gegen seine eigenen Prinzipien gehe, verzichte er auch einmal auf schnellen Umsatz. Es scheint, als hätte der Luftverbesserer als nicht mehr ganz junger Gründer mit Vamos Velos seine berufliche Bestimmung gefunden.
Text: Jörg Rieger, Fotos: Daniel Peter
DAS UNTERNEHMEN
Vamos Velos Wolfgang Renninger
Franz-Stadelmayer-Straße 22
97074 Würzburg
Telefon: +49 176 963 921 89
DIE PERSON
Wolfgang Renninger
DIE IDEE
100 Prozent klimafreundliche und emissionsfreie Transporte per Cargobike im Stadtgebiet. Und vor allem: machen, nicht nur reden.
GRÖSSTE HERAUSFORDERUNG
Die Umstellung von Logistikprozessen ist erst einmal mit Aufwand verbunden. Es müssen daher oft dicke Bretter gebohrt werden, um die Entscheider davon zu überzeugen, dass mittel- und langfristig alle davon profitieren.
PLÄNE
Innovativ bleiben, querdenken und so neue Geschäftsfelder erschließen.
Den kompletten Artikel finden Sie in unserer Online-Ausgabe der WIM.