Umsetzung des EU Green-Deal

Das Fit for 55-Paket

Das "Fit for 55"-Gesetzespaket, mit dem die Europäische Kommission eine Senkung des Treibhausgasausstoßes um mindestens 55 Prozent bis 2030 erreichen möchte, betrifft die Wirtschaft auf breiter Front. Am 14. Juli 2021 hat die Kommission das Maßnahmenbündel vorgestellt. Es enthält Entwürfe für zwölf Gesetzgebungsverfahren, die in den kommenden Monaten und Jahren parallel diskutiert, verhandelt und schließlich verabschiedet werden sollen.

Die Regulierungsentwürfe dienen der Umsetzung des "Green Deal". Dieses ambitionierte Programm für den umwelt- und klimafreundlichen Umbau der europäischen Wirtschaft, das die EU-Kommission 2019 entwickelt hatte, wird inzwischen auch vom Europäischen Parlament und Rat mitgetragen.

Neben dem Ziel einer Verringerung der Treibhausgasemissionen in Europa um mindestens 55 Prozent wird die Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 angestrebt. Das bedeutet: In knapp drei Jahrzehnten dürfen in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen nur noch minimale Restemissionen anfallen.

Zentrale Vorhaben im "Fit for 55"-Paket sind die Neuordnung des europäischen Emissionshandels einschließlich neuer Instrumente zur Vermeidung von Carbon Leakage, die Überarbeitung der Energieeffizienz- und der Erneuerbaren-Richtlinie, eine Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte und ein Vorschlag zur stärkeren Harmonisierung der Energiesteuern.

Zentrale Vorhaben

Reform des Europäischen Emissionshandels

Reform des Europäischen Emissionshandels

Für alle Unternehmen relevant sind absehbar weiter steigende CO2-Preise und damit ein höherer Druck auf Unternehmen, Energieverbräuche zu senken, erneuerbare Energieträger zu nutzen und auf emissionsarme Produktionsverfahren umzustellen. Die Kommission schlägt vor, den heute bestehenden europäischen Emissionshandel (EU-ETS) zu reformieren.

Konkret soll das Ausgangsniveau der zur Verfügung gestellten Emissionszertifikate einmalig abgesenkt und der Pfad zur weiteren Reduzierung steiler werden. Zudem soll eine höhere Entnahme von Zertifikaten aus der Marktstabilitätsreserve ermöglicht werden, und es ist geplant, den Anwendungsbereich des Emissionshandels um den Seeverkehr zu erweitern.

Für Unternehmen mit großen, am EU-ETS beteiligten, Industrieanlagen ist die teilweise freie Zuteilung von Zertifikaten Voraussetzung dafür, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte gewahrt bleibt. Der Kommissionsvorschlag sieht vor, diese freie Zuteilung an Industrieunternehmen herunterzufahren, indem die maximale Abwertung der Benchmarks von 1,6 auf 2,5 Prozent pro Jahr angehoben wird. Das führt in Kombination mit der erwarteten Steigerung der CO2-Preise zu deutlich höheren Belastungen dieser Unternehmen. Zusätzlich wird als Gegenleistung für die freie Zuteilung eine Verpflichtung zu Klimaschutzinvestitionen eingeführt.

Neuer Emissionshandel für Gebäude und Verkehr

Neuer Emissionshandel für Gebäude und Verkehr

Neben dem bestehenden Emissionshandel soll ein weiteres Emissionshandelssystems eingeführt werden, das ab 2026 die Emissionen des Energieeinsatzes in Gebäuden und Verkehr bepreist. Wie im deutschen nationalen Emissionshandel nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) werden die Inverkehrbringer von Kraft-/Brennstoffen zur Teilnahme verpflichtet. Diese geben dann den CO2-Preis an ihre Kunden weiter.

Ausgenommen von dem neuen Emissionshandel sollen Brennstoffverbräuche für die Erzeugung industrieller Prozesswärme sein. Eine freie Zuteilung beziehungsweise Entlastung besonders betroffener Energieverbraucher ist nicht vorgesehen; die Versteigerungserlöse sollen aber für Investitionen in den Klimaschutz und zur Unterstützung ärmerer Haushalte eingesetzt werden.

CO2-Grenzausgleich für einzelne Branchen

CO2-Grenzausgleich für einzelne Branchen

Für eine Auswahl energie- und handelsintensiver Sektoren soll ein CO₂-Grenzausgleich (englisch: CBAM - Carbon Border Adjustment Mechanism) etabliert werden. Ziel ist es, in diesen Branchen Wettbewerbsnachteile durch EU-weit steigende CO₂-Preise gegenüber Konkurrenten außerhalb der Europäischen Union zu vermeiden - und die Abwanderung von Wertschöpfung zu verhindern.

Der von der EU-Kommission geplante CBAM ist eine Art CO2-Zoll auf aus Drittstaaten importierte Produkte. Die bei Import fällige CO2-Abgabe errechnet sich aus dem bei der Produktion ausgestoßenem Kohlendioxid und dem jeweils aktuellen CO2-Preis im EU-ETS. Sie entfällt, wenn der Importeur nachweist, dass die CO2-Abgabe im Herkunftsland genauso hoch ist wie in der EU.

Vom CBAM erfasst werden sollen die Branchen Zement, Dünger, Stahl, Aluminium, aber auch Strom. Unter die Regelung fallen auch Produkte der ersten Weiterverarbeitungsstufen, zum Beispiel Stahlrohre. Vorgesehen ist, dass der CO2-Grenzausgleich die teilweise freie Zuteilung von Emissionszertifikaten für die erfassten Sektoren ersetzt.

Den Vorschlag der Kommission begleitet eine intensive Diskussion, wie und ob sich ein Grenzausgleichsmechanismus in Einklang mit dem internationalen Handelsrecht bringen lässt und wie die bei der Produktion in Drittländern anfallenden CO2-Emisssionen berechnet und nachgewiesen werden können. Für Diskussionen wird auch sorgen, dass der Vorschlag der Kommission nur einen Aufschlag für Import, nicht aber eine Entlastung für Exportprodukte vorsieht.

Ausbau erneuerbarer Energien

Ausbau erneuerbarer Energien

Damit die mit dem Green Deal beabsichtigte Transformation gelingen kann, werden entsprechende CO2-arme Alternativen zur Energieversorgung, also Strom aus erneuerbaren Quellen und klimafreundlicher Wasserstoff in auskömmlichen Mengen und zu wettbewerbsfähigen Preisen, zur Verfügung stehen müssen. Dafür plant die EU-Kommission die Festlegung eines verbindlichen EU-Ausbauziels von 38 bis 40 Prozent Anteil am Endenergieverbrauch bis 2030.

Nationale Ziele will sie nicht vorschreiben. Vorgesehen sind aber indikative Erneuerbaren-Ziele für die Bereiche Gebäude – voraussichtlich 39 Prozent bis 2030 - und die Industrie. Im Bereich Verkehr soll neben dem Unterziel für fortschrittliche Kraftstoffe auch eines für Treibstoffe nicht biogenen Ursprungs eingeführt werden, etwa für Strom, Wasserstoff oder E-Fuels. Vorgeschlagen wird zudem ein EU-weit gültiges System für Herkunftsnachweise. Das soll unter anderen dazu beitragen, dass im EU-Strombinnenmarkt mehr Verträge für die Direktabnahme von erneuerbarem Strom (PPA) geschlossen werden.

Stärkung der Energieeffizienz

Stärkung der Energieeffizienz

Das derzeit gültige Energieeinsparziel von 32,5 Prozent bis 2030 gegenüber 2008 wird nach Einschätzung der Kommission voraussichtlich um rund 3 Prozent verfehlt. Nachsteuerungsbedarf bestehe daher auch ohne eine weitere Verschärfung. Ob die Effizienzziele erhöht werden sollen, ist noch offen. Klar ist, dass die Kommission darauf setzt, das Prinzip "Efficiency First" - also den Leitgedanken, sparsam mit Energie umzugehen - in allen energieverbrauchsrelevanten Segmenten zu stärken. Einen besonderen Beitrag soll dabei die öffentliche Hand leisten, unter anderem über Sanierungsverpflichtungen für mehr öffentliche Gebäude und eine stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der öffentlichen Beschaffung (green public procurement). Insgesamt wird mehr als bislang ein stärkeres Gewicht auf die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden gelegt.

Die Kriterien für die Verpflichtung zu Energie-Audits und Energie-Managementsystemen sollen nicht mehr an Art und Größe des Unternehmens festgemacht werden, sondern an der Höhe ihres Energieverbrauchs.

Automobil: Flottengrenzwerte und Ladeinfrastruktur

Automobil: Flottengrenzwerte und Ladeinfrastruktur

Im Verkehrssektor sind eine Anpassung der CO₂-Flottengrenzwerte für Pkw und der Ausbau der Ladeinfrastruktur geplant. Damit soll die vollständige Marktdurchdringung mit Elektrofahrzeugen erheblich beschleunigt werden.

Bisher sah die Verordnung für die CO₂-Flottengrenzwerte von Pkw bis 2030 eine Verringerung der Emissionen um 37,5 Prozent bei neuen Pkw gegenüber 2021 vor. Die vorgeschlagenen 55 Prozent Reduktion gegenüber 2021 auf dann rund 50 Gramm CO2 je Kilometer und Pkw sind nur ein Zwischenschritt. Bereits 2035 sollen neu zugelassene Pkw und Vans komplett emissionsfrei sein. Das bedeutet das Ende für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.

Darüber hinaus schlägt die EU-Kommission mit der novellierten Gesetzgebung zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe deutlich konkretere Ausbaupläne für Ladesäulen sowie für Wasserstoff- und Gastankstellen vor. Die bestehende Richtlinie wird in eine direkt gültige Verordnung umgewandelt. Unter den alternativen Kraftstoffen wird der Schwerpunkt klar auf Strom und Wasserstoff gelegt - auch für Nutzfahrzeuge. Jeder Mitgliedstaat muss hierfür eine bestimmte Netzabdeckung bei der Lade- beziehungsweise Tankinfrastruktur erreichen. Die Kraftstoffe Erdgas (CNG, LNG) und Flüssiggas (LPG) werden nur noch übergangsweise beim Infrastrukturausbau berücksichtigt. Nicht zuletzt werden Minimalausstattungen für See- und Binnenhäfen bei der Landstromversorgung sowie an Flughäfen für die stationäre Bordstromversorgung vorgeschrieben.

Land und Forst als CO2-Senke

Land und Forst als CO2-Senke

Absehbar ist, dass ein kleiner Teil der Emissionen unvermeidbar bleibt. Damit Europa unterm Strich spätestens im Jahr 2050 keine Treibhausgase mehr emittiert, wird also die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre erforderlich sein. Hierzu soll der Bereich der Land- und Forstwirtschaft einen wesentlichen Beitrag leisten.

Ziel ist es deshalb nicht nur, wie bisher, dass die Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) im gleichen Sektor vollständig bilanziell ausgeglichen werden, sondern vielmehr, dass eine CO2-Senke entsteht, also ein Ökosystem, das Kohlendioxid dauerhaft speichert. Ziel ist eine Netto-Treibhausgasentnahme im LULUCF-Sektor von 310 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2030.

Ergänzt wird dieses Dossier um eine Waldstrategie.

Weitere Regulierungen in Vorbereitung

Kreislaufwirtschaft

Bereits 2022 hatte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Ökodesign-Verordnung vorgelegt. Diese würde die bisherige Ökodesign-Richtlinie ablösen und Regeln festlegen, die für alle Produkte im Binnenmarkt gelten und darauf abzielen, diese langlebiger, wiederverwendbar, reparierbar, aufrüstbar, recycelbar und allgemein weniger umweltschädlich zu machen. Die Verordnung würde Regeln für einen digitalen Produktpass, ein umweltfreundliches öffentliches Beschaffungswesen und ein Verbot der Vernichtung unverkaufter Waren umfassen. 

Gebäude

Die EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden wird aktuell überarbeitet. Im Raum steht das Ziel des klimaneutralen Gebäudebestands bis zum Jahr 2050. Dafür sollen bereits ab 2028 alle Neubauten emissionsfrei sein.

Ansprechpartner

Energietreff

Jacqueline Escher

M.Sc. Geographie
Referentin Umwelt und Energie
Würzburg

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