Pflicht zum Bericht: Neue Nachhaltigkeitsberichterstattung
Pflicht zum Bericht: Neue Nachhaltigkeitsberichterstattung
Die Europäische Union hat mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) eine neue Richtlinie zur verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen erlassen. Damit will die EU erreichen, dass Unternehmen öffentlich zugängliche und vergleichbare Informationen über die Risiken und Chancen zu verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekten zur Verfügung zu stellen müssen. So sollen Finanzströme hin zu nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten gelenkt werden (Sustainable Finance), und somit der Übergang zu einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft im Sinne des Green Deals gefördert werden. Die CSRD ersetzt die Non-Financial Reporting Directive von 2014 (sog. „CSR-Richtlinie“).
Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis zum 6. Juli 2024 in nationales Recht umsetzen. Hier finden Sie den deutschen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2022/2464. Die DIHK hat dazu am 19. April Stellung bezogen: DIHK-Stellungnahme Umsetzung Nachhaltigkeitsberichterstattung (PDF, 202 KB)
Die CSRD verpflichtet deutlich mehr Unternehmen als bisher zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung. Bisher waren vor allem kapitalmarktorientierte Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Mit der CSRD müssen nun alle "großen Unternehmen" berichten, die zwei der drei folgenden Größenkriterien erfüllen:
Zusätzlich sind auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ab zehn Mitarbeitern berichtspflichtig, sofern sie kapitalmarktorientiert sind.
Welche Unternehmen als "große" oder auch "kleine" und "mittlere" Unternehmen im Sinne der EU-Rechnungslegungsrichtlinie gelten, regelt Artikel 3 der Richtlinie 2013/34/EU. Die EU-Kommission hat im Herbst 2023 eine inflationsbedingte Anhebung der Schwellenwerte für Bilanzsumme und Nettoumsatzerlöse für alle Größenklassen als delegierte Richtlinie beschlossen. Nach Prüfung durch das Europäische Parlament und den Rat wurde die delegierte Richtlinie (EU) 2023/2775 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und ist nun von den Mitgliedstaaten bis spätestens zum 24. Dezember 2024 in ihr nationales Recht umzusetzen – in Deutschland in das Handelsgesetzbuch. Die inflationsbedingt geänderten Schwellenwerte sollen für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2024 beginnen, anwendbar sein. Die delegierte Richtlinie finden Sie unter ec.europa.eu.
In Deutschland wurden die Schwellenwerte für die Unternehmensgrößen im Handelsgesetzbuch zum 17. April 2024 geändert. Sie finden die neuen finanziellen Schwellenwerte der §§ 267, 267a, 293 HGB im Gesetz zur Änderung des DWD-Gesetzes sowie zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften im Bundesgesetzblatt vom 16. April (Artikel 2, Änderung des Handelsgesetzbuchs).
Auf der Webseite der DIHK finden Sie zudem eine Übersicht über die Betriebsgrößenklassen: Neue Nachhaltigkeitsberichterstattung (dihk.de)
Die CSRD wird schrittweise – abhängig von der Größe beziehungsweise von den Eigenschaften der Unternehmen – eingeführt.
Erst für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2028 beginnen, müssen dann bestimmte Unternehmen aus Drittstaaten, welche große Tochterunternehmen oder kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Tochterunternehmen in einem Mitgliedstaat haben, ihren Nachhaltigkeitsberichtspflichten nachkommen. Dies gilt auch, wenn diese Drittstaatsunternehmen bestimmte Zweigniederlassungen mit Nettoumsatzerlösen von mehr als 40 Millionen Euro in einem EU-Mitgliedstaat haben. Auch für Emittenten, die ihren Sitz in einem anderen Staat haben, ist ein gestufter Anwendungszeitraum der CSRD vorgesehen. Besondere Regelungen gelten zudem für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen.
Die CSRD bringt eine deutliche Verschärfung der Anforderungen an Unternehmen in Bezug auf ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung mit sich. Unternehmen müssen neben finanziellen Aspekten auch über nicht-finanzielle Leistungsindikatoren berichten, die relevant für ihre Geschäftstätigkeit sind. Anders als bisher können berichtspflichtige Unternehmen nicht mehr wählen, nach welchem Nachhaltigkeitsstandard sie berichten wollen. Berichtspflichtige Unternehmen müssen die Nachhaltigkeitsinformationen für das jeweilige Geschäftsjahr im Lagebericht darstellen und mit einem digitalen Tagging versehen. Die separate Veröffentlichung des Nachhaltigkeitsberichts ist ebenfalls nicht mehr möglich. Zudem müssen die Nachhaltigkeitsinformationen einer Prüfung unterzogen werden, um eine "begrenzte Sicherheit" zu gewährleisten.
Das Management ist künftig verantwortlich für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und muss dies nachweislich dokumentieren. Der Bilanzeid wird entsprechend erweitert, um die Nachhaltigkeitsberichterstattung einzuschließen. Der Aufsichtsrat ist zudem für die Überwachung der Berichterstattung verantwortlich. Die nachhaltigkeitsberichtspflichtigen Unternehmen müssen inhaltlich zudem angeben, wie und in welchem Umfang die Tätigkeiten des Unternehmens mit Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind, die als ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten nach der Taxonomie-Verordnung (EU) 2020/852 einzustufen sind.
Die Berichtsinhalte und -struktur werden durch die verbindlichen EU-Nachhaltigkeitsstandards "European Sustainability Reporting Standards" (ESRS) vereinheitlicht. Die Standards finden Sie hier auf deutsch: Erste europäische Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (europa.eu). Diese Standards wurden von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) entwickelt und sollen sicherstellen, dass die Berichte vergleichbar und konsistent sind. Die EU Kommission hat das erste Set der ESRS am 30. Juli 2023 als delegierte Rechtsakte verabschiedet. Die EFRAG hat drei ESRS-Umsetzungsleitlinien für die betroffenen Unternehmen und ihre Stakeholder veröffentlicht. Diese finden Sie hier: finalen Dokumente (Implementation guidance documents) Außerdem stellt die EFRAF für alle, die erstmals nach den neuen Europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards berichten, eine Q&A Plattform der EFRAG zur Verfügung.
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist für viele nicht-kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die nicht unter die CSRD fallen, zwar in der Regel keine gesetzliche Pflicht, dennoch geben direkt betroffene Unternehmen ihre eigenen Berichtspflichten häufig an kleinere Geschäftspartner in der Lieferkette weiter, da sie auf deren Informationen angewiesen sind (Trickle-down-Effekt). Davon abgesehen erwarten auch Geschäftspartner, Investoren und Kunden von KMU, dass diese transparent über ihre Nachhaltigkeitsziele und -maßnahmen berichten. In der Praxis sind KMU dadurch oft mit vielen Unterschiedlichen Standards, Zertifizierung oder Fragebögen konfrontiert.
Die Europäische Kommission hat daher im Januar 2024 einen ersten Entwurf für den "Voluntary SME-Standard" (VSME) vorgelegt. Dieser Standard soll KMU unterstützen, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen kompatibel mit den ESRS zu dokumentieren und zu kommunizieren, ohne sie zu stark zu belasten. Der VSME-Standard, entwickelt von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), ist als freiwilliges Instrument konzipiert. Er bietet drei Module an, die es Unternehmen ermöglichen, je nach ihrem Entwicklungsstand und den spezifischen Anforderungen ihrer Stakeholder, Nachhaltigkeitsinformationen bereitzustellen.
Der VSME-Entwurf könnte daher dazu beitragen, diese indirekte Belastung zu verringern, indem er einen einheitlichen Rahmen für die Berichterstattung bietet, der von den wichtigsten Interessengruppen akzeptiert wird. Nähere Informationen zum VSME-Standard finden Sie hier: Wie wird der VSME-Standard für KMU aussehen? (dihk.de)
Die IHK-Organisation hat sich aktiv für eine verhältnismäßige Gestaltung der Berichtspflichten eingesetzt, um KMU vor übermäßiger Bürokratie zu schützen. Insbesondere durch die Zusammenarbeit mit Verbänden und Beratungsunternehmen wurden Empfehlungen erarbeitet, die in die Weiterentwicklung des VSME-Standards eingeflossen sind. Der Fokus liegt darauf, dass der Standard sowohl den Informationsbedarf der berichtspflichtigen Unternehmen als auch die Kapazitäten und Bedürfnisse der KMU berücksichtigt, die sich freiwillig für Nachhaltigkeitsberichterstattung engagieren möchten. Näheres dazu finden Sie in den Europapolitischen Positionen der IHK-Organisation (TOP_5_f_-_Europapolitische_Positionen_der_IHK-Organisation-gesamt.pdf) sowie in der DIHK-Stelllungnahme zu den VSME (Stellungnahme DIHK VSME)
Bislang konnten sich Unternehmen aussuchen, nach welchem Standards sie ihren Nachhaltigkeitsbericht verfassen wollten. KMU, die nicht unter die CSRD fallen, haben diese Möglichkeit grundsätzlich immer noch. In Deutschland haben sich viele Unternehmen für den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) entschieden. Der DNK integriert zunehmend die Europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS): Home (deutscher-nachhaltigkeitskodex.de) . Viele international tätigen Unternehmen haben sich bislang für einen Nachhaltigkeitsbericht nach der Global Reporting Initiative (GRI) entschieden. Diese bietet ein umfassendes Resource Center für die Nachhaltigkeitsberichterstattung an (GRI - Resource center (globalreporting.org))
Gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist ein bestehendes Umweltmanagementsystem und die entsprechende Berichterstattung ein guter Ausgangspunkt für eine umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung. Über die EMAS-Umwelterklärung werden bereits viele Inhalte und Kennzahlen des Ökologiebereichs der verbreiteten Nachhaltigkeitsberichtsstandards abgedeckt. Weitere Informationen zum Zusammenspiel des Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagements finden Sie im EMAS-Leitfaden der bayerischen IHKs sowie im entsprechenden BIHK-Webinar.
Ein bestehendes Umweltmanagementsystem wie EMAS und ein Klimaschutzcoaching können eine guter Einstieg für KMU in das Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung sein, da diese bereits wichtige Kennzahlen erfassen.
Die IHK bietet eine kostenfreie Beratung zu diesen Themen. Nähere Informationen: Klimaschutzcoaching: Einstiegsberatung für Mitgliedsunternehmen zu Themen rund um betrieblichen Klimaschutz und Klimabilanz - IHK Würzburg-Schweinfurt
Auch das Thema Biodiverstität nimmt einen bedeutenden Platz in der Nachhaltigkeitsberichterstattung ein. Hilfe bietet hier unter anderem UBi (Unternehmen biologische Vielfalt): UBi - Unternehmen Biologische Vielfalt (UBi), für Wirtschaft (unternehmen-biologische-vielfalt.de)
M.A. Politikwissenschaften
Referentin Standortpolitik
Würzburg
Diplom-Geograph
Bereichsleiter Standortpolitik und Unternehmensförderung
Würzburg